Magnificat
Geistliche Abendmusik am 1. Advent 2023
“Meine Seele erhebt den Herrn und mein Geist freuet sich”, so beginn der Lobgesang der Maria. Das Magnificat als Lobpreis der Mutter Gottes hat den wohl gewichtigsten Platz in den Liturgien, da die Vespern an den Hochfesten besonders festlich ausgestaltet wurden. Davon zeugt auch die unermessliche Anzahl von Vertonungen des Textes von frühester Zeit bis in die Gegenwart. Die Vertonung von Johann Sebastian Bach ist bekannt, seltener werden die Magnificat-Versionen von Durante, Cimarosa und Pachelbel aufgeführt. Am Sonntag, den 3. Dezember 2023, waren sie in der Evangelischen Gemeinde Lorsbach zu hören.
Kleine Auswahl der Musikproben
Die Mitwirkenden
unter der Leitung von Ulrich Stoll
Elisabeth Stoll | Sopran und Orgel |
Johanna Stoll | Mezzosopran |
Peter Seebach | Violine und Englischhorn |
Ülke Irmak | Violine |
Bernhard Bätzing | Viola |
Oliver Brockhaus | Violoncello |
Detlev Wormsbächer | Kontrabass |
Ernst-Wilhelm Schuchhardt | Truhenorgel |
Der Ökumenische Chor Lorsbach |
Programm
Francesco Durante 1684 – 1755 | Magnificat B-Dur für Soli, Chor und Orchester |
Wolfgang Amadeus Mozart 1756 – 1791 | Adagio für Englischhorn und Streicher |
Domenico Cimarosa 1749 – 1801 | Magnificat D-Dur für Chor und Orchester |
Johann Pachelbel 1653 – 1706 | Magnificat Primi Toni für Orgel |
Johann Pachelbel 1653 – 1706 | Magnificat für Chor und Continuo |
Melchior Franck 1580 – 1639 | Meine Seele erhebt den Herren für Chor |
Johann Sebastian Bach 1685 – 1750 | Meine Seele erhebet den Herren BWV 648 für Orgel |
Baldessare Galuppi 1706 – 1785 | Magnificat für Sopran, Chor und Orchester |
Magnificat
Eine junge schwangere Frau geht von Nazareth in Galiläa durch Samaria nach Judäa. Sie möchte ihre Cousine Elisabeth besuchen, die, obgleich schon sehr alt, ebenfalls schwanger ist. Die junge Frau, Maria, hatte von einem Engel die Prophezeiung bekommen, dass sie ohne Zutun eines Mannes schwanger werde, der Vater des Kindes sei Gott—Heiliger Geist. Nun kommt sie zu ihrer Cousine und begrüßt sie. Diese ruft: Wer bin ich, dass die Mutter meines Gottes zu mir kommt? Maria erwidert darauf:
Magnificat anima mea dominum et exsultavit Spiritus meus in Deo salutari meo. | Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilands. |
Quia respexit humilitatem ancillae suae. | Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. |
Ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes. | Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. |
Quia fecit mihi magna qui potens est et sanctum nomen ejus. | Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. |
Et misericordia ejus a progenie in progenies timentibus eum. | Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für bei denen, die ihn fürchten. |
Fecit potentiam in brachio suo, dispersit superbos mente cordis sui. | Er übet Gewalt mit seinem Arm und zerstreuet, die hoffartig sind in ihres Herzens Sinn. |
Deposuit potentes de sede et exaltavit humiles. | Er stößt die Gewaltigen vom Stuhl und erhebt die Niedrigen. |
Esurientes implevit bonis et divites dimisit inanes. | Die Hungrigen füllet er mit Gütern und lässt die Reichen leer. |
Sicut locutus est ad patres nostros, Abraham et semini ejus in saecula. | Wie er geredet hat unsern Vätern, Abraham und seinem Samen ewiglich. |
Dietrich Bonhoeffer schreibt über das Magnificat: „Dieses Lied der Maria ist das leidenschaftlichste, wildeste, ja man möchte fast sagen revolutionärste Adventslied, das je gesungen wurde. Es ist nicht die sanfte, zärtliche, verträumte Maria, wie wir sie auf Bildern sehen, sondern es ist die leidenschaftliche, hingerissene, stolze, begeisterte Maria, die hier spricht (…) ein hartes, starkes, unerbittliches Lied von stürzenden Thronen und gedemütigten Herren dieser Welt, von Gottes Gewalt und von der Menschen Ohnmacht”.
Die Vertreterin der feministischen Theologie, Dorothee Sölle, greift den Gedanken der Befreiung von Frauen auf: „Mein Geist wird aus der Verängstigung herauskommen. Die leeren Gesichter der Frauen werden mit Leben erfüllt und wir werden Menschen werden. (…) Die Herrschaft der Männlichen über die Weibchen wird ein Ende nehmen” und „aus Objekten werden Subjekte werden”.
Die Komponisten
Baldessare Galuppi wurde 1706 in bei Venedig auf Burano geboren. Ab 1728 steigerte sich sein Ruf als Komponist von ernsten Opern stetig, jedoch komponierte er auch Kirchenmusik, sodass er 1740 eine Anstellung am Ospedale dei Mendicanti bekam. Eine längere Verpflichtung am Haymarket Theatre führte ihn nach London. Zurückgekehrt nach Venedig, wurde er dort 1748 Vizekapellmeister an S. Marco. Große Erfolge konnte er durch die Zusammenarbeit mit Carlo Goldoni auf dem Gebiet der Opera buffa, der komischen Oper, ab 1748 feiern. Baldessare Galuppi hinterließ über 90 Opern, 27 Oratorien, 51 Klaviersonaten, Instrumentalkonzerte und Kammermusik.
Melchior Franck (1579-1639) steht mit seinem Schaffen an der Grenze von der Renaissance zum, Barock. Seine frühen Werke sind noch der freien Mehrstimmigkeit (Polyphonie) verpflichtet. Er hatte jedoch auch mit dem venezianischen Stil Bekanntschaft gemacht. So wurde er bald einer der wichtigsten Vertreter eines neuen deutschen Motettenstils. Erst spät wendete er sich dem Generalbass und dem solistischen Vokalkonzert zu. Schon in jungen Jahren verzichtete er auf die lateinische Sprache, es war ihm wichtig, dass das geistliche Wort in der deutschen Sprache verkündet wird.
Domenico Cimarosa, (1749-1801) begann seine Laufbahn 1772 mit einer komischen Oper. In den folgenden Jahren reiste er durch ganz Italien und führte seine Opern mit großem Erfolg auf. Auch in St. Petersburg und in Wien, wo er 1792 Salieri als Hofkapellmeister ablöste, war er tätig. Wegen der Beteiligung an der Revolution in Neapel 1799 wurde er zum Tod verurteilt, jedoch von Ferdinand IV. begnadigt und verbannt. Sein Werk umfasst 64 Opern, 5 Oratorien, 10 dramatische Kantaten, Kirchenmusik, Kammermusik und viele Gesangsstücke.
Francesco Durante (1684-1755) war einer der wenigen italienischen Komponisten des 18. Jahrhunderts, der keine Opern schrieb. Seine Musik nimmt die Merkmale von Palestrinas Polyphonie auf und ist der Musik des 16. Jahrhunderts verpflichtet. Er schrieb hauptsächlich Kirchenmusik, jedoch auch weltliche Kantaten und Instrumentalmusik. Zu seinen Schülern zählten die bedeutendsten Komponisten der damaligen Zeit, Paisiello, Piccini, Pergolesi, Sacchini u.v.m. Einer Anekdote nach verkaufte seine Frau wegen ihrer Spielschulden seine gesamten Kompositionen, die er dann aus dem Gedächtnis alle wieder niederschrieb.
Johann Pachelbel (1653-1706) ) nimmt mit seiner Musik eine Mittlerstellung zwischen dem cantablen und harmonisch reichen süddeutschen Stil und dem konservativeren polyphonen mitteldeutschen Stil ein. J. S. Bach wurde in seinen frühen Kompositionen stark von Pachelbel beeinflusst. 1677 war er Hoforganist in Eisenach, wo er sich mit J. S. Bachs Vater gut befreundete. 1678 war er Organist in Erfurt. 1690 ging er als Hoforganist nach Stuttgart, von wo er wegen des Krieges mit Frankreich über Nürnberg nach Gotha floh und dort 1692 Stadtorganist wurde. Die Kontakte nach Nürnberg sind wohl nie abgerissen und 1695 wurde Pachelbel Organist an St. Sebaldus, wo er bis zu seinem Tod 1706 tätig war.